Der Wecker klingelt unerbittlich um 7.30 Uhr morgens, gegen 8 Uhr sollten wir im Frühstücksraum sein, damit noch ausreichend Zeit zum Frühstück bleibt. Um 8:30 fährt uns dann Stefano jeden Morgen zur Schule, denn der Unterricht beginnt um 8.45 Uhr. Die Schule befindet sich inmitten der Stadt in einem dieser wunderschönen alten Paläste. Vorne am Empfang wird man von Heike Wilms begrüßt, einer Deutschen, die schon lange in Montepulciano lebt und in der Schule für die Organisation und die Betreuung der Schüler und Schülerinnen verantwortlich ist. Der erste Eindruck beim Betrachten des langgezogenen Eingangs, gefüllt mit all den Schülerinnen und Schülern, die mehr oder weniger tief in Gespräche miteinander vertieft sind, ist der eines Ortes der Begegnung. Menschen aus aller Herren Länder kommen hier her, um die italienische Sprache zu erlernen, mehr über das Leben im Belle Paese zu erfahren und sich mit anderen Schülern und den Lehrern der Schule auszutauschen. Es ist eine freundliche heitere Stimmung die sehr schnell alle erfasst.
Die renommierte italienische Sprachschule Il Sasso in Montepulciano befindet in unmittelbarer Nähe der Piazza delle Erbe.
Mir fallen Alberto Quintis Ausführungen zum Grundgedanken des Rinascimento im Zusammenhang mit Il Cantiere ein. Il Sasso könnte man zweifellos als Prototyp dieses freien Austauschs von Gedanken von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur bezeichnen. Deshalb frage ich ihn, ob dieser Grundgedanke des Il Cantiere auch die Idee hinter der Gründung von Il Sasso war? 1983 hatten 9 Gründer, darunter Alberto Quinti und seine Frau Patrizia Porreca, die Geschäftsführerin von Il Sasso, die Schüle gegründet. Allerdings verneint er diesen Zusammenhang. Vielmehr waren auch hier die sich verändernden Tourismusströme, die sich Anfang der 80er mehr und mehr in Richtung der Kleinstädte der Toskana bewegten, die Ursache für die Gründung von Il Sasso. Trotzdem kann man schon sagen, so Quinti, dass sich auch die Schule dem selben Geiste verschrieben hat wie Il Cantiere.
Il Sasso ist eine Schule mittlerer Größe, die das ganze Jahr über geöffnet hat und momentan 9 Lehrer/innen dauerhaft beschäftigt, die alle über große Erfahrung bei der Vermittlung der italienischen Sprache für Ausländer verfügen. Die Schule, die einen hervorragenden Ruf im In- und Ausland genießt, kann auf berühmte Referenzen verweisen wie z.B. die Botschaften der USA, Kanadas, Australiens, Neuseelands oder Irlands in Italien, Iveco Magirus in Ulm oder zahlreiche Schulen und Universitäten vor allem aus dem angelsächsischen Raum. Man legt großen Wert darauf, die Schüler, deren Leistungsniveau nicht bekannt ist, mit Hilfe eines Tests so einzustufen, dass sie sich bezogen auf Ihr Leistungsniveau im jeweils bestmöglichen Kurs wiederfinden. Weiterhin stehen die für die Kommunikation in einer fremden Sprache entscheidenden Punkte, nämlich das Hörverständnis und die Artikulationsfähigkeit im Zentrum der Sprachvermittlung. Der Unterricht geht von 8.45 bis 13.10 Uhr unterbrochen durch 2 Pausen. 2 Lehrer teilen sich die Unterrichtseinheiten pro Gruppe. Alle Lehrer von Il Sasso (wir haben mittlerweile bei allen schon Unterricht gehabt) zeichnen sich durch ihre hohe fachliche Qualifikation und ihr ausgeprägtes Vermögen, die italienische Sprache an Nicht-Italiener zu vermitteln, aus. Sie schaffen es über den ganzen Unterrichtszeitraum, die Spannung der Gruppe hoch zu halten und die Anforderungen dem jeweiligen Gruppenniveau anzupassen, so dass der „Frustationsfaktor“, der sich bei jedem Menschen früher oder später einschleicht, wenn er sich ernsthaft mit dem Erlernen einer fremden Sprache befasst, so gering wie möglich gehalten wird.
Nach dem Unterricht, der i.d.R. wie im Flug vergeht, fühlen wir eine gewisse geistige Leere. Ein Zeichen dafür, dass wir stark gefordert worden sind, jedoch auch der Spaßfaktor nicht zu kurz kam. Insgesamt also ein gutes Zeichen!
Wir fragen uns immer wieder, was wohl das Besondere ist, das uns an Il Sasso anspricht. Es gibt manchmal Dinge, die sind schwer in Worte zu fassen, aber man spürt, dass es da noch etwas gibt, das nicht so ohne weiteres in Zahlen, Daten und Fakten beschreibbar ist. Doch so langsam, nachdem wir nun schon das achte Mal hintereinander hier waren, beginnt dieses „Etwas“ Gestalt anzunehmen. Ja es stimmt, die Lehrer/innen von Il Sasso suchen die Begegnung mit den Schüler/innen, suchen den Dialog mit den „Vertretern“ anderer Kulturen um diesen „ihre“ Kultur näherzubringen und mehr über die „anderen“ Kulturen zu erfahren. Der Abbau von länderspezifischen Stereotypen liegt ihnen am Herzen, denn nur so kann man einen ungetrübten Blick auf die Realitäten einer anderen Kultur erlangen. Dieser Prozess ist im Übrigen ungemein spannend, schließlich lernt man dabei immer wieder, wie vorurteilsbehaftet doch das eigene Denken oft ist, doch damit nicht genug. Durch intensive Auseinandersetzung mit der Realität einer anderen Kultur, einer anderen Gesellschaft lernt man auch sehr viel über seine eigene Kultur und sein eigenes Land und das führt häufig zu erstaunlichen Erkenntnissen.
Ja, die Unterrichtseinheiten sind interkulturelle Begegnungen (in diesem Jahr bestand unsere Gruppe aus einer Kanadierin, einer US-Amerikanerin einer Australierin und uns). Unter möglichst korrekter Verwendung der italienischen Sprache treten die Schüler/innen zusammen mit den italienischen Leh-rer/innen in einen interkulturellen Dialog, lernen in erster Linie die Realität der aktuellen Lebensverhältnisse in Italien kennen, erzählen aber auch über die Begebenheiten in ihrem Land. In diesen interkulturellen Dialog werden von den Lehrer/innen die Lerneinheiten eingebettet und im Endeffekt merkt man sehr schnell, wie stark man auch persönlich in diesen Dialog involviert ist (stärker als man sich das hätte vorstellen können) und erzielt so nebenbei auch beim Erlernen der Sprache sehr schnell Erfolge. Die Grundidee des Rinascimento ist bei Il Sasso sehr lebendig!
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