Il Cantiere Internationale d'Arte di Montepulciano, das mittlerweile berühmte Kulturfest in Monte-pulciano, erstmalig 1976 veranstaltet und von dem bedeutenden deutschen Komponisten Hans Werner Henze ins Leben gerufen, sollte kein „normales“ Kulturfestival sein wie so viele andere. Die Idee war es, Künstler mit internationalem Renommee nach Montepulciano einzuladen, damit sie dort zusammen mit den Menschen in Montepulciano zusammenarbeiten, um gemeinsam ein Kulturfest zu gestalten. Deswegen auch der Begriff der „internationalen Kunstbaustelle“, die jedes Jahrs aufs Neue ihre Arbeit aufnimmt um dann im Juli die Ergebnisse dieser außergewöhnlichen Zusammenarbeit zu präsentieren. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass seitens der Stadt Montepulciano keine Gagen für die Künstler bezahlt werden, die sich für il Cantiere engagieren.
Wir sitzen zusammen mit Alberto Quinti, dem ehemaligen langjährigen Kulturreferenten der Stadt Montepulciano, der in Sachen Kulturpolitik wohl einer der kompetentesten Gesprächspartner in Montepulciano ist. Il Cantiere ist für ihn auch die Umsetzung des zentralen Gedankens des Rinascimento in die Realität, nämlich die Begegnung von Menschen und der freie Austausch von Gedanken zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur, der Begegnung von Jugendlichen mit bekannten Künstlern um sich künstlerisch und persönlich weiterzuentwickeln – und Montepulciano sollte der Ort sein, in dem dies stattfindet. Hans Werner Henze hat sich Montepulciano deshalb ausgesucht, weil er dort ein offenes Ohr für diese Ideen fand, die damalige Stadtverwaltung war ihrer Zeit auch schon damals weit voraus. Obwohl, vermerkt Quinti, es war schon knapp damals, die entscheidende Abstimmung verlief mit nur 1 Stimme Mehrheit für die Durchführung von Il Cantiere, aber auch eine knappe Mehrheit ist eine Mehrheit! Quinti legt auch großen Wert darauf, dass Il Cantiere von Anfang an ein gemeinschaftliches Projekt von Hans Werner Henze und der Stadt Montepulciano war – denn nur gemeinsam konnte es überhaupt realisiert werden.
Es ist schon interessant, dass in Italien die Ideen dieser Kulturrevolution des Rinascimento sehr viel präsenter sind als bei uns, wo das Zeitalter der Renaissance viel mehr einen Kunst- und Architekturstil repräsentiert. Jedenfalls ist es kaum vorstellbar, dass bei uns jemand von den „Leitideen“ der Renaissance sprechen würde, wenn er etwas Vergleichbares berichten würde wie es Alberto Quinti getan hat. Aber es ist schon richtig, das Rinascimento war in erster Linie eine Wiedergeburt des Humanismus, der im alten Griechenland seinen Ausgangspunkt nahm und dort eine Blütezeit erfahren hat. Diese Ideen sind letztendlich noch heute sehr lebendig, denn ohne Gedankenaustausch, Freiheit des Individuums, Bildung und gegenseitiger Toleranz wäre eine moderne Demokratie nicht vorstellbar. Sucht man die Ursprünge unserer wesentlichen Demokratien, so findet man diese viel eher im Humanismus als in irgendeiner Religion. Aber bei den Ausführungen Quintis fällt mir noch etwas ganz anderes ein. Viele Ideen, die damals bei der Diskussion um il Cantiere in Montepulciano eine Rolle spielten, wurden auch bei uns im Rahmen der Gründung des Kulturhausvereins Untertürkheim heftig diskutiert. Treibende Kraft damals, Anfang der 80er Jahre, war die Kulturpolitische Gesellschaft e.V., eine bundesweite Vereinigung kulturpolitisch interessierter und engagierter Menschen, die 1976 gegründet wurde. In einem Thesenpapier mit dem Titel „Kreative Potentiale gegen die Unwirtlichkeit“ wurde 1979 zur Dezentralisierung des Kulturangebotes aufgerufen und zur Bildung kultureller Vereinigungen in den Stadtteilen, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich aktiv kulturell zu betätigen. Der Begriff der Stadtteilkultur war geboren und führte im Jahr 1984 zur Gründung des Kulturhausvereins Untertürkheim, der sich seitdem der Förderung der stadtteilorientierten Kultur in Stuttgart-Untertürkheim widmet.
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